In einem gemeinsamen Grundsatzpapier erläutern die FußgängerInnenlobbys Walk-Space.at & Geht-doch.Wien und die Radlobby Österreich ihre Position zur Nutzweise von Rollern und E-Scootern.
Die Mobilität in der Stadt wird immer vielfältiger. Menschen nutzen Fahrräder, Öffis, Autos und gehen zu Fuß. Vermehrt sind neben Rollern auch E-Scooter im Stadtgebiet unterwegs. Diese sind eine für die Mobilitätswende und die Wahlfreiheit bei der Mobilität begrüßenswerte Alternative. Wichtig ist jedoch die passende Nutzweise der Roller bzw. E-Scooter je nach Bauart. Der neue Trend veranschaulicht auch, wie dringend notwendig eine faire Verteilung des öffentlichen Raums für die unterschiedlichen Mobilitätsarten ist.
Derzeitige Regelung
Muskelbetriebene Roller (Scooter, Microscooter) – im folgenden Roller genannt – gelten momentan als Kleinfahrzeuge, die vorweigend zur Verwendung außerhalb der Fahrbahn bestimmt sind. Durch diese Einstufung müssen sie auf Fußverkehrsflächen in Schrittgeschwindigkeit unterwegs sein, wobei sie weder die FußgeherInnen noch der Verkehr auf der Fahrbahn gefährden oder behindern dürfen. Mit der 30. StVO-Novelle (tritt mit 1. April 2019 in Kraft) dürfen Kinder über 8 Jahre nun ohne Begleitung einer erwachsenen Person Roller verwenden.
Bei elektrisch betriebenen Roller – im folgenden E-Scooter genannt – spielen die Grenzwerte von 25 km/h Bauartgeschwindigkeit und 600 Watt Leistung eine entscheidende Rolle. E-Scooter, die diese Grenzwerte überschreiten, gelten als Motorfahrräder/Mopeds – mit den entsprechenden Verhaltensvorschriften lt. StVO (Benützung der Fahrbahn, Führerschein, Helmpflicht, etc.).
E-Scooter, die unter den Grenzwerten bleiben, werden momentan nur in Wien als Fahrräder anerkannt, in allen übrigen Bundesländern als Kleinfahrzeuge. Bei der Definition als Kleinfahrzeug gelten die o.g. Regelungen für muskelbetriebene Roller, bei der Definition als Fahrrad die Verhaltensvorschriften (Benutzungspflicht von Radfahranlagen, Nutzung der Fahrbahn, wenn keine Radfahranlagen vorhanden sind, Abstellen in der Parkspur bzw. auf Gehsteigen, wenn diese breiter als 2,5 m sind, kein Fahren am Gehsteig etc.) und Ausrüstungsvorschriften (Bremsen, Klingel, weißes Licht vorne, rotes Rücklicht, Reflektoren beziehungsweise Rückstrahler) für Fahrräder.
Implikationen und Forderungen
Der Gehsteig bzw. Gehweg ist der einzige Ort, an dem Fußgehende vor fahrenden bzw. motorisierten Verkehrsmitteln/Spielgeräten sicher sind (waren). Gerade ältere Menschen brauchen diesen sicheren Rückzugsort, um selbstständig mobil zu bleiben. Durch die zwingende Nutzung von Fußverkehrsflächen durch Roller (Micro-Scooter) wurde dieser Schutz schon aufgeweicht. Bei Berücksichtigung der Tatsache, dass die Roller überwiegend von Schulkindern genutzt werden und diese ebenfalls besonders schützenswert sind, ist eine Nutzung des Gehsteigs akzeptabel. Besonderes Augenmerk sollte deshalb auf eine ausreichend breite Dimensionierung des Gehsteigs und auf eine Einhaltung der Schrittgeschwindigkeit gelegt werden. Keinesfalls akzeptabel ist die Ermöglichung des Fahrens mit elektrisch betriebenen Kleinfahrzeugen auf Fußverkehrsflächen – auch nicht in Schrittgeschwindigkeit: zu groß ist die Gefahr (im Gegensatz zur muskelbetriebenen Fortbewegung), dass das Tempolimit nicht eingehalten wird.
E-Scooter (< 25 km/h, < 600 W) verfügen über ähnliche Fahreigenschaften und ein ähnliches Geschwindigkeitsprofil wie Fahrräder. Wenn E-Scooter die Ausrüstungsvorschriften der Fahrradverordnung erfüllen, sollten sie entsprechend als Fahrräder gelten und dieselben Verhaltensvorschriften zu beachten haben. Mit der Nutzung der gleichen Flächen durch Fahrräder und E-Scooter steigt der Bedarf an qualitativ hochwertiger Infrastruktur. Das beinhaltet nicht nur mehr baulich getrennte Radwege, sondern auch zusätzliche Radbügel im öffentlichen Raum.
Fazit
- Wir begrüßen die Schaffung von Mobilitätsalternativen als ein Mittel zur Erreichung der Mobilitätswende.
- Wir fordern eine klare Unterscheidung und Differenzierung in der Behandlung von muskelbetriebenen und elektrisch betriebenen Verkehrsmitteln.
- E-Scooter (< 25 km/h, < 600 W) ähneln vom Geschwindigkeitsprofil her Fahrrädern – es ist naheliegend, dass E-Scooter auf Radfahranlagen unterwegs sein sollen.
- Die Fahrradinfrastruktur ist entsprechend dem neuen Nutzungsdruck und in Hinblick auf nationale und kommunale Zielsetzungen großzügig auszubauen.
- Der Ausbau der Fahrradinfrastruktur darf nicht auf Kosten von Fußverkehrsflächen passieren.
- Der Gehsteig ist oft der letzte Rückzugsort für Fußgehende. Schrittgeschwindigkeit ist hier das Maß der Dinge.
- RollerfahrerInnen haben sich auf Gehsteigen der Fußgehergeschwindigkeit anzupassen.
- Gehsteige sind mindestens in Regelbreite auszuführen und von (neuen) Hindernissen freizuhalten (Verkehrsschilder, Schaltkästen, E-Ladesäulen, abgestellte Leih-E-Scooter, etc.).
- Die Regeln für gesetzeskonformes Abstellen von Rollern und E-Scootern sind zu kommunizieren und zu exekutieren.
- Fußverkehrsflächen sind im Sinne eines „design for all“ (barrierefrei, seniorInnentauglich) zu optimieren (Oberflächengestaltung, Querungsstellen, Sichtbeziehungen).
- Motorisierte Spaß- oder Transportgeräte (E-Scooter, sonstige motorisierte Kleinfahrzeuge oder fahrzeugähnliches Spielzeug) haben nichts auf Fußverkehrsflächen verloren.
- Wir empfehlen die Aufnahme von E-Scootern als eigene Fahrzeug-Kategorie in die Verkehrsunfallstatistik, um deren Unfallgeschehen von Unfällen mit Fahrrad- bzw. fahrzeugähnlicher (Kinder-)Spielzeug-Beteiligung unterscheiden zu können.
Siehe dazu auch das gemeinsame Positionspapier Fuß – Rad:
http://www.walk-space.at/images/stories/pdf/Positionspapier_Fuss-Rad.pdf
Grundsatzpapier_e-scooter_2019
Walk-space.at hat die österreichweite Aktion: „Gehsteig ≠ Fahrsteig“ gestartet. Mehr unter: #GehsteigistkeinFahrsteig bzw.
http://www.walk-space.at/index.php/bewusstsein/gehsteigistkeinfahrsteig
geht-doch – Die Initiative fürs Zufußgehen und Aktionen im und für den Öffentlichen Raum , Walk-Space.at – der Österreichische Verein für FußgängerInnen, und die Radlobby Österreich sind als unabhängige zielverwandte Institutionen bestrebt, ihr Engagement im Interesse des Fuß‐ bzw. Fahrradverkehrs aufeinander abzustimmen. Es besteht eine Koordination der Tätigkeit auf den Ebenen Geschäftsführung und Vorstand. Weiters erfolgt ein regelmäßiger Austausch von Informationen und die gemeinsame Erörterung aktueller verkehrspolitischer Fragen.
Wien, 4.3.2019
geht-doch – Die Initiative fürs Zufußgehen und Aktionen im und für den Öffentlichen Raum
Walk-Space.at – der Österreichische Verein für FußgängerInnen
Radlobby Österreich – Bundesverband der Radinteressensvertretungen