Verkehrspolitisches Wahlbarometer zur Wien-Wahl 2025

Mehr Platz für Baum, Fuß und Rad! Das war der Slogan der größten Verkehrsinitiative Wiens im Jahr 2020. “Platz für Wien” hatte anlässlich der Wien-Wahl vor fünf Jahren 18 zentrale verkehrspolitische Maßnahmen entwickelt und die Positionierung von Parteien und Bezirksvorstehungen eingefordert. 57.000 Wiener:innen haben diese Anliegen unterzeichnet.

Zur bevorstehenden Wien-Wahl 2025 haben WirMachenWien, Radlobby Wien und Geht-Doch Wien die nun kandidierenden Parteien um (erneute) Stellungnahme gebeten: Unterstützen Sie die #PlatzFürWien-Forderungen? Die 18 wissenschaftlich fundierten Maßnahmen umfassen unter anderem die Schaffung attraktiver Straßen zum Gehen und Verweilen, die Förderung sicherer Mobilität für Kinder, den Ausbau einer durchgängigen und sicheren Radinfrastruktur, sichere Kreuzungen sowie die Förderung von Multimodalität, um die Mobilität für alle Menschen zu fair-bessern und die Lebensqualität zu steigern. Geht-Doch war es wichtig auch die Forderung nach einem designierten Budget fürs zu Fuß Gehen als Äquivalent zum Radverkehrsbudget, zu inkludieren. Denn ohne ein eigenes und motiviertes Budget für Maßahmen, die das zu Fuß Gehen und die Aufenthaltsqualität des Öffentlichen Raums flächendeckend verbessern, ist die Mobilitätswende in Wien nicht zu schaffen. Vor allem vor dem Hintergrund, das das Fußverkehrsbudget vom vormaligen Klimaministerium nun ausgelaufen ist.

Die Antworten der Parteien lassen sich allgemein in drei Kategorien abbilden: Klare Zustimmung, keine Zustimmung und keine inhaltliche Antwort. Während GRÜNE, NEOS und KPÖ/LINKS die Forderungen ganz unterstützen, wollen sich SPÖ und ÖVP nicht explizit zu den Forderungen bekennen und erklären ihre verkehrspolitischen Ansätze. FPÖ und Team Strache äußern sich (fast) nicht. Auch die Bezirksvorstehungen (BV) der 23 Wiener Bezirke wurden zu ihrer Positionierung befragt. Aus neun Bezirken langten Antworten ein, die grundsätzlich positiv ausfielen und teils sehr ausführlich auf Maßnahmen der Bezirke eingingen. Ausdrückliche Unterstützung der #PlatzFürWien-Forderungen kamen aus den Bezirken 4, 8, 9, 18 und 22. Umfangreiche Auseinandersetzungen mit den 18 Maßnahmen zeigten die BV aus Wieden, Favoriten, Penzing und Rudolfsheim-Fünfhaus. Ottakring griff sogar zur Selbst-Evaluation. Nur das Bezirksbüro der Inneren Stadt erklärte sich für die Anfrage als unzuständig. Eines ist sicher: Die Wien-Wahl 2025 wird in Anbetracht von Klima- und Mobilitätszielen sowie zunehmender Überhitzung in der Stadt eine verkehrspolitische Weichenstellung für die Bundeshauptstadt. Ein Vergleich der Positionen – mit ausführlichen Zitaten und detaillierter Analyse.

Analyse der Antworten: Die Parteien im Vergleich

Die von den Initiativen formulierten Forderungen umfassen Maßnahmen zur Steigerung der Lebensqualität durch Verkehrsberuhigung, zur Förderung aktiver Mobilität sowie Begrünung des öffentlichen Raums. Alle Parteien wurden gefragt, ob sie die geforderten Maßnahmen umsetzen wollen und ob sie die für die Mobilitätswende notwendigen Ressourcen bereitstellen würden. 

Klare Zustimmung mit konkreten Umsetzungsplänen: GRÜNE, KPÖ/LINKS und NEOS

GRÜNE befürworten sämtliche abgefragte Maßnahmen und gehen detailliert auf einzelne Aspekte ein. Besonders betonen sie die Bedeutung von Tempo 30: „Wir sind generell für die Ausweitung von Tempo 30. Im Bereich von Schulen könnte man das dank der letzten StVO-Novelle sofort, ohne aufwändiges Verwaltungsverfahren, umsetzen.“, das Ziel sind autofreie Schulvorplätze. Die Errichtung von viel mehr Supergrätzln wird unterstützt. In den Bezirken sollen mehr Fußgängerzonen und Begegnungszonen entstehen. Auch in puncto Radverkehr setzen GRÜNE auf ambitionierte Ziele: „Der Radverkehr soll nicht im Schlingl-Schlangl über Umwege durch die Stadt geführt werden. Vielmehr brauchen wir gerade an den Geschäftsstraßen sichere Radinfrastruktur.“ Sie setzen sich ebenfalls für eine Priorisierung der Ampelschaltungen für Fuß-, Rad- und Öffiverkehr ein. 

Die KPÖ/LINKS treten für Verkehrsberuhigung , barrierefreie Gehwege, mehr Sitzgelegenheiten sowie einen Ausbau autofreier Schulvorplätze ein. “Wir priorisieren die Umsetzung in benachteiligten, autofreundlichen Grätzln. Daneben wollen wir Straßen für den Kfz-Durchzugsverkehr unterbrechen und für Zufußgehende zum Verweilen einladen, nach dem Vorbild Favoritenstraße.” Sie gehen noch einen Schritt weiter und formulieren über die ursprünglichen Forderungen hinausgehende Vorschläge. Besonders hervorzuheben ist ihre Forderung nach Tempo 30 auf allen Hauptverkehrsstraßen ohne Ausnahmen: „Dies ist als eine sofort und durch Verordnung kostenfrei umsetzbare Maßnahme die mit der größten Wirkung für die Vision Zero, Lärm- und Schadstoffreduktion, und physische und psychische Gesundheit, vor allem bei den Benachteiligsten.“ Auch in Sachen Begrünung setzen sie ambitionierte Ziele: „Alle Straßen Wiens sollen Alleen werden, um die Bewohner*innen mit einer grünen Lunge zu versorgen. Es fehlen noch ca. 182.000 Bäume, die dringend gepflanzt werden müssen.“

Die NEOS unterstützen die gestellten Forderungen vollinhaltlich, beschreiben Maßnahmen näher und nennen ihre bisherigen Umsetzungen in der Stadtregierung: „Mit Wiens größter Radwegoffensive schaffen wir bis Ende 2025 100 km neue und verbesserte Fahrradinfrastruktur.” Sie seien noch nicht fertig und wollen auch den Fußverkehr verbessern. Sie sprechen sich für die „kontinuierliche Schaffung neuer verkehrsberuhigter Wohngebiete”, die Verbreiterung von Gehsteigen sowie neue Sitzgelegenheiten aus. Zudem für ein hochwertiges Radwegenetz, geschützte Radwege an Hauptstraßen und eine flächendeckende Öffnung von Einbahnen. Auch in Bezug auf Schulwegsicherheit zeigen sie klare Unterstützung: „Wir wollen den Ausbau autofreier Schulvorplätze weiter aktiv vorantreiben, um Kindern sichere und bewegungsfreundliche Räume zu bieten.“ Die Forderungen nach sicheren Querungen über Hauptstraßen und gerechtere Ampelschaltungen werden ebenfalls unterstützt. 

Keine Zustimmung, mit eigenem Programm: SPÖ und ÖVP

Die SPÖ verweist in ihrer Antwort auf bereits umgesetzte Maßnahmen, bezüglich der Fragen bleibt sie jedoch vage und gibt keine Zustimmung zu den Forderungen. Sie hebt hervor, dass Wien bereits Programme für die lebenswerte Stadt umsetze. „Konkret wurden Bäume gepflanzt, Grünflächen geschaffen, helle, klimafreundliche und wasserdurchlässige Pflasterung eingesetzt, Sitzmöglichkeiten geschaffen, Pergolen errichtet und mit Nebelstelen und Wasserspielen die wichtige Kühlung an Hitzehotspots ermöglicht. […] Trotz der Komplexität der Anforderungen im Wiener Straßenraum wurden knapp 100 km neue Radinfrastruktur in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht.“ Zudem wurden „320 Projekte zur Begrünung und Entsiegelung umgesetzt. […] Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Wiener Mobilitätslandschaft stellt die Verkehrsberuhigung dar. Hierfür werden durch Supergrätzl, Begegnungszonen und Fahrradstraßen der Durchzugsverkehr aus den Wohngebieten herausgeholt, um den Anrainer*innen ein erweitertes Wohnzimmer zur Verfügung zu stellen.” Die vage Stellungnahme zu den angefragten konkreten Forderungen stellt einen deutlichen Unterschied zur Wien-Wahl 2020 dar, wo die Rad-Forderungen von #PlatzFürWien in das Wahlprogramm der SPÖ fanden. Damals ein gutes Zeichen, als schon hier der positive Einfluss von #PlatzFürWien auf Ulli Simas geplante Radoffensive, Verkehrsberuhigung und Begrünung erkennbar war. Die SPÖ legt sich also heuer nicht mehr auf konkrete Zielzahlen fest, sie möchte aber die Maßnahmen der aktuellen Legislaturperiode fortsetzen. 

Die ÖVP gibt keine Zustimmung zu den Forderungen und stellt stattdessen ein eigenes Mobilitätskonzept vor. Ihr Fokus liegt auf dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs in den Außenbezirken sowie auf Maßnahmen zur Verbesserung des Autoverkehrs: „Eine moderne Stadt braucht ein durchdachtes Mobilitätskonzept, das alle Verkehrsteilnehmer berücksichtigt und nachhaltige Alternativen fördert.“ Die Partei setzt auf den Ausbau von Park & Ride-Anlagen sowie eine bessere Nutzung von Garagen, um den ruhenden Verkehr zu optimieren. Abgefragte Maßnahmen werden nur teilweise erwähnt und sind nicht zentraler Bestandteil ihrer Position.

Keine inhaltliche Antwort: FPÖ und Team HC

Die FPÖ gibt keine inhaltliche Antwort auf die gestellten Fragen, sondern führt kurz aus, dass jede Maßnahme vor Umsetzung individuell geprüft werden müsse. Das Team HC von Heinz-Christian Strache hat auf die Anfrage nicht geantwortet.

Fazit: Wer setzt sich für welche Mobilitätspolitik ein?

Die Auswertung der Antworten zeigt deutliche Unterschiede in den verkehrspolitischen Schwerpunkten der (Wahlprogramme der) Parteien:

  • GRÜNE, KPÖ/LINKS und NEOS setzen sich für eine konsequente Umsetzung der geforderten Maßnahmen inklusive des eignen, designierten Fußverkehrsbudgets, ein. Diese Parteien formulieren ambitionierte Ziele und präsentieren konkrete Umsetzungsvorschläge.
  • Die SPÖ verweist auf bereits umgesetzte Maßnahmen und setzt auf flexible Lösungen, bleibt aber vage in ihren Zusagen und versprechen auch kein designiertes Budget fürs zu Fuß Gehen.
  • Die ÖVP legt den Fokus auf den öffentlichen Verkehr und den Autoverkehr, ohne sich dezidiert zu den Forderungen der Initiativen zu äußern.

Wähler*innen, denen eine nachhaltige und aktive Mobilität und klima- und menschengerechte Stadtgestaltung wichtig sind, finden bei GRÜNE, KPÖ/LINKS und NEOS die stärkste Unterstützung. Die SPÖ bleibt in der Mitte und möchte ihre Programme fortführen, setzt aber keine klaren quantifizierbaren Zusagen. Die ÖVP bietet kaum Anknüpfungspunkte zu den gestellten Forderungen.

Vollständige Antworten der Antretenden Parteien auf Stadtebene: https://wirmachen.wien/wp-content/uploads/2025/04/PfW2025_Parteienantworten_gesammelt.pdf

Die 18 Forderungen von #PlatzfürWien könnt ihr hier nachlesen.

#WorstOfGehsteig in Wiener Bezirken

Hier erhaltet ihr eine Übersicht über die unzumutbarsten Gehsteige in allen Wiener Bezirken. Der erste Bezirk „Innere Stadt“ ist übrigens der einzige Wiener Bezirk, der Anfang 2025 immer noch keinen „Masterplan Gehen“ ausgearbeitet hat.

Eine unvollständige Sammlung an Einzelbildern zu #WorstOfGehsteig aus 2020 findet ihr hier:

Die Compilations der „Worst-of #WorstOfGehsteig“ je Bezirk findet ihr hier:

#WorstOfGehsteig in allen Wiener Bezirken

1. Bezirk – Innere Stadt

geht-doch zu Gast bei der ersten CITY ROMANTICS Show von Wir machen Wien

Um für die Arbeit von Wiener Initiativen zu begeistern, war geht-doch gestern gemeinsam mit der Radlobby, Gürtelliebe, sowie Kidical-Mass auf der Bühne vom Urbanize Festival und buhlte spielerisch (und mit hohem Spaßfaktor für alle Beteiligten!) um die Begeisterung von neuen oder noch unentschlossenen Citychangers / Stadtmacher:innen wie Barbara.

Das Format dieser „City Romantics“ Show war angelehnt an die ehemalige österreichische TV-Dating-Show „Herzblatt“ und wurde genauso überzeugend und unterhaltsam moderiert von Melanie Zwanziger!

Wir danken Wir machen Wien und Derive / Urbanize für die Einladung und die Chance nicht nur unsere Arbeit sichtbar zu machen sondern auch gleich für neue geht-doch Aktivist:innen und Mitglieder werben zu können. Außerdem bekamen wir auch die Gelegenheit unseren aufrichtigen Dank an die Radlobby auszusprechen, die uns als größere Organisation seit vielen Jahren unterstützt. Dadurch konnten wir auch ein klares Commitment abgeben und Zeichen setzen für die weitere enge Zusammenarbeit mit der Radlobby und das gemeinsame Voranbringen und Gehör-Verschaffen von Fußgeh- und Radfahr-Anliegen gleichermaßen.

Wenn dich unsere Arbeit interessiert, oder du vielleicht selbst schon länger ein Anliegen hast, welches die Bedingungen des zu Fuß Gehens in deinem Grätzl oder in ganz Wien verbessern möchte, komm gern bei unserem nächsten Jour Fixe vorbei: Wann? kommenden Montag, 14.10., ab 19Uhr in der ÖBB Innovation Factory!

Wir freuen uns immer über neue (und auch altbekannte Gesichter) und sind gespannt auf die nächste Edition von „City Romantics“!


Schuhe der Erinnerung

Neun zu Fuß Gehende mussten auf Wiens Straßen im vergangenen Jahr (2022) ihr Leben lassen.

Neun mal wurden Leben ausgelöscht, weil Pkw- oder LKW-Lenkende entweder zu schnell gefahren sind, oder alkoholisiert oder abgelenkt waren.

Unser Verkehrssystem muss so gestaltet sein, dass Fehler passieren können, ohne dass dabei Menschen umkommen.

Die Stadt Wien hat sich das ambitionierte Ziel der ‘Vision Zero’– Null Verkehrstote – gesetzt, von dem wir jedoch noch weit entfernt sind. Das zeigen die ‘Schuhe der Erinnerung’ jedes Mal schmerzlich auf, denn jährlich sterben in Wien 10-20 Menschen im Straßenverkehr, davon rund 10 zu Fuß Gehende. Zusätzlich werden rund 1.000 Fußgänger:innen pro Jahr zum Teil schwer verletzt.

Das Ziel von Null Verkehrstoten ist nur durch eine stadtweite 30er-Zone, einen verpflichtenden LKW-Abbiegeassistenten, konsequente Kontrollen und sichere Infrastruktur für Fußgänger:innen erreichbar.

geht-doch stellt Schuhe der Erinnerung für tödlich verunglückte Zu Fuß Gehende im Öffentlichen Raum auf. Die weißen Schuhe dienen als Mahnmal an der Stelle der tödlichen Kollision, sollen aber auch Politik und Verwaltung an ihre Verantwortung erinnern, den Straßenraum für alle Verkehrsteilnehmer:innen sicher und fehlerverzeihend zu gestalten.

Das Radwegeausbauprogramm und der neue Modalsplit

Eines vorweg: Die Wiener Radwegoffensive ist eine Offensive gegen Zu Fuß Gehende unserer Stadt

Vor einer Woche wurde „Wiens bisher größtes Radwege-Ausbauprogramm“ vorgestellt, mit welchem die aus SPÖ und NEOS bestehende Stadtregierung 17 Kilometer neue und verbesserte Radverkehrsinfrastruktur ankündigte. Mit insgesamt 44 neuen Projekten – darunter Leuchtturmprojekte wie Lasallestraße und Wagramerstraße – begegnet die Stadt dem seit Jahren steigenden Radverkehrsanteil im städtischen Verkehr – und ignoriert dabei aber die größte Gruppe der Verkehrsteilnehmer*innen – die Zu Fuß Gehenden.

Seit dem Beginn der Pandemie hat sich das Mobilitätsverhalten der Wiener*innen grundlegend verändert. Es ist beobachtbar, dass die aktiv mobilen (Fahrrad, zu Fuß) in unserer Stadt immer mehr werden, weshalb verbesserte, inklusivere und sicherere Infrastruktur wichtig ist, um sich diesem veränderten Mobilitätsverhalten anzupassen und der erhöhten Nachfrage gerecht zu werden. Auch im aktuellen Modalsplit Report der Wiener Linien manifestiert sich das Mobilitätsverhalten der Wienerinnen und Wienern zur Aktiven Mobilität.

Die Wiener Radwegoffensive 2022 ist somit ein wichtiger Schritt, um bestehende Lücken im Netz zu schließen, Routen sicherer zu gestalten und den öffentlichen Raum in Wien zu Gunsten der aktiv Mobilen umzuverteilen (Fahrrad Wien, 2022). Und nicht diese zwei Mobilitätsformen gegeneinander auszuspielen, wie es die neue Radwegeoffensive offensichtlich anlegt:

Leider bleiben bei einigen der geplanten Projekten viele Chancen ungenutzt, während Zu Fuß Gehende an den Rand gedrängt werden oder oft gänzlich vergessen werden. Deutlich wird dies, wenn einige ‚Verbesserungen‘ genauer unter die Lupe genommen werden:

Beginnen wir bei einem der Leuchtturmprojekte der Stadt, die Verbreiterung des bestehenden Zweirichtungsradweges auf der Lasallestraße. Dieser wird auf mehr als vier Meter verbreitert. So weit so gut. Doch wo jetzt noch die Zu Fuß Gehenden unter dem Schatten der Bäume spazieren, wird es zukünftig nur Platz für das Rad geben. FußgängerInnen werden in die Hitze der Hauswände gedrängt, wo es keinen kühlenden Schatten gibt. Eine Verbreiterung des Radweges sei nur auf Kosten der Fußgänger*innen möglich gewesen, heißt es von der Stadt. Mutige Schritte der Umverteilung des öffentlichen Raumes, speziell die dringend notwendige Reduktion der Fläche, die privaten PKWs als Park- oder Fahrstreifen zur Verfügung steht – fehlen in der Radwegoffensive an den meisten Stellen – wie auch auf der Lassallestraße.

Visualisierung Lassallestraße ©zoomvp.at/Mobilitätsagentur Wien

Die Blechturmgasse im vierten Wiener Gemeindebezirk ist ein weiteres solches Beispiel. Diese soll durch eine Neugestaltung ‚fahrradfreundlich‘ werden, wobei aber scheinbar keine Parkplätze verloren gehen dürfen. Die Schrägparkplätze im Bestand bleiben weiterhin erhalten, weshalb der Ausbau des Radweges auf Kosten der zu Fuß Gehenden passiert. Um viel Geld wird der Gehsteig sogar um einige Zentimeter verschmälert, um Platz für den Radweg zu schaffen, statt die Schrägparkplätze in Längsparker umzuwandeln.

Die Stadtregierung beweist hierbei vielmehr Mutlosigkeit statt Progressivität in der Mobilitäts- und Raumplanung der Stadt.

Zuletzt noch ein Aufreger der Superklasse für die Zu Fuß Gehenden: In der Linken Wienzeile wird zwischen Anschützgasse und Winkelmannstraße der Fuß- und Radverkehr entflochten, wodurch in Zukunft nicht mehr entlang des Wienflusses gegangen werden kann. Statt einer Spur für den KFZ-Verkehr fällt hier ein kompletter Fußweg weg. Übrig bleibt der Gehsteig beim Haus, neben der lauten und heißen Fahrspur. Eine Farce gegenüber der größten Gruppe der Verkehrsteilnehmer*innen.

Ein Lichtblick für die Fußgängerinnen und Fußgänger:
Die Entflechtung des Fuß- und Radverkehrs direkt auf der Kagranerbrücke. Da wird der neu geplante oben geführte Zweirichtungsradweg eine Entlastung für den schmalen Gehweg bringen. Auch hier hätte leicht eine Fahrspur abgegeben werden können. Stattdessen wird der Grünstreifen in der Mitte (und im Rendering fläschlicherweise angezeigt) geopfert.

Visualisierung der Kagranerbrücke (c)ZOOMVP.at/Mobilitätsagentur Wien

Zusammenfassen lässt sich die ‚Radwegoffensive 2022‘ also eher als ‚Offensive gegen Zu Fuß Gehende‘ bezeichnen. Eine Vielzahl der Projekte verbessern zwar die Gesamtsituation für Radfahrer*innen, jedoch auf Kosten der Falschen, nämlich den zu Fuß Gehenden Menschen unserer Stadt. Wenn die Stadt Wien wirklich an ihren Mobilitätszielen für 2025, 2030 und 2050 festhält, müsste sie mutigere Schritte in die Wege leiten und durch gerechte Flächenverteilung und sichere Infrastruktur für sowohl Radfahrerinnen und FußgängerInnen die Attraktivität der aktiven Mobilität erhöhen.

Weitere Negativbeispiele für Zu Fuß Gehende in der Radwegoffensive 2022:

  • Linke Wienzeile in 1150 Wien: Auflassens des Gehweges entlang des Wienflusses und Verlegung auf die Hausseite – ohne Begrünung und ohne baulicher Trennung vom Fließverkehr.
  • Blechturmgasse: Schrägparkplätze sollen erhalten werden, deswegen Gehsteig verschmälert! Teuer! Nicht mutig! Es ginge hier bei einer Umwandlung von Schräg- auf Längsparker um einen Verlust von X Parkplätzen – Geht Doch!
  • Jörgerstraße: keine wirklichen Verbesserungen für Zu Fuß Gehende.
  • Döblinger Gürtel: keine Verbesserung für Zu Fuß Gehende und nur Scheinlösung durch Fahrradstraße
  • Lasallestraße: Verdrängung des Fußverkehrs unter Hauswand – Beschneidung des Platzes

Der Erdberger Steg muss bleiben!

Der Erdberger Steg ist kaputt.
Bisher war er schon stark frequentiert, zu schmal und an beiden Enden gab es sehr lange Wartezeiten an den Ampeln. Er ist die einzige Donaukanalquerung auf 1,5 km! Der Steg soll abgerissen werden und renoviert werden. Menschen zu Fuß und am Rad aus ganz Wien haben am Sonntag, dem 30. Mai 2021, gezeigt, wie wichtig ihnen der Steg ist.

Und: was passiert, wenn am Erdberger Steg die Covid19-Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Da der 2m-Abstand dort keinen Begegnungsverkehr zulässt, kann eigentlich nur abwechselnd von einer Richtung gequert werden, die anderen müssen abwarten, bis der Steg wieder frei ist. Blockabfertigung so zu sagen, oder #staunachplan?

Die Radlobby Wien & geht-doch.wien fordern die Zuständigen – Verkehrsstadträtin Ulli Sima sowie die Bezirksvorsteher Alexander Nikolai (1020) und Erich Hohenberger (1030) – auf, die seit 15 Jahren bekannten Missstände zu beheben:

Unsere Forderungen:
– Verbreiterung des Erdberger Stegs auf zumindest 6 Meter
– Verringerung der Wartezeiten für Querung Erdberger Lände und Schüttelstraße
– Entflechtung der Kreuzung mit dem Radweg auf der Seite des 3. Bezirkes
– Alternativquerung ohne großen Umweg, z.B. Abriss erst nach Neuerrichtung
– Prüfung 6 m Breite für alle Fuß+Rad Donau(Kanal)Querungen (Vorbild Steinitzsteg)
– Verbindliche Pläne breiter Fuß+Radwege am Donaukanal v. S-Bahn-Stammstrecke abwärts
– Offenes Planungsverfahren mit Anrainer*innen und Fuß+Radinteressentengruppen

Online kann die #Petition ebenfalls unterzeichnet werden!