e-scooter am Gehsteig oder Radweg?

Die Mobilität in der Stadt wird immer vielfältiger. Menschen nutzen Fahrräder, Öffis, Autos und gehen zu Fuß. Vermehrt sind neben Rollern auch E-Scooter im Stadtgebiet unterwegs. Diese sind eine für die Mobilitätswende und die Wahlfreiheit bei der Mobilität begrüßenswerte Alternative. Wichtig ist jedoch die passende Nutzweise der Roller bzw. E-Scooter je nach Bauart. Der neue Trend veranschaulicht auch, wie dringend notwendig eine faire Verteilung des öffentlichen Raums für die unterschiedlichen Mobilitätsarten ist.

In einem gemeinsamen Grundsatzpapier erläutern die FußgängerInnenlobbys Walk-Space & geht-doch und die Radlobby Österreich ihre Position zur Nutzweise von Rollern und E-Scootern.

Fazit

  • Wir begrüßen die Schaffung von Mobilitätsalternativen als ein Mittel zur Erreichung der Mobilitätswende.
  • Wir fordern eine klare Unterscheidung und Differenzierung in der Behandlung von muskelbetriebenen und elektrisch betriebenen Verkehrsmitteln.
  • E-Scooter (< 25 km/h, < 600 W) ähneln vom Geschwindigkeitsprofil her Fahrrädern – es ist naheliegend, dass E-Scooter auf Radfahranlagen unterwegs sein sollen.
  • Die Fahrradinfrastruktur ist entsprechend dem neuen Nutzungsdruck und in Hinblick auf nationale und kommunale Zielsetzungen großzügig auszubauen.
  • Der Ausbau der Fahrradinfrastruktur darf nicht auf Kosten von Fußverkehrsflächen passieren.
  • Der Gehsteig ist oft der letzte Rückzugsort für Fußgehende. Schrittgeschwindigkeit ist hier das Maß der Dinge.
  • RollerfahrerInnen haben sich auf Gehsteigen der Fußgehergeschwindigkeit anzupassen.
  • Gehsteige sind mindestens in Regelbreite auszuführen und von (neuen) Hindernissen freizuhalten (Verkehrsschilder, Schaltkästen, E-Ladesäulen, abgestellte Leih-E-Scooter, etc.).
  • Die Regeln für gesetzeskonformes Abstellen von Rollern und E-Scootern sind zu kommunizieren und zu exekutieren.
  • Fußverkehrsflächen sind im Sinne eines „design for all“ (barrierefrei, seniorInnentauglich) zu optimieren (Oberflächengestaltung, Querungsstellen, Sichtbeziehungen).
  • Motorisierte Spaß- oder Transportgeräte (E-Scooter, sonstige motorisierte Kleinfahrzeuge oder fahrzeugähnliches Spielzeug) haben nichts auf Fußverkehrsflächen verloren.
  • Wir empfehlen die Aufnahme von E-Scootern als eigene Fahrzeug-Kategorie in die Verkehrsunfallstatistik, um deren Unfallgeschehen von Unfällen mit Fahrrad- bzw. fahrzeugähnlicher (Kinder-)Spielzeug-Beteiligung unterscheiden zu können.

Hier gehts zum ausführlichen Positionspapier.

Warum wir die Petition „Leben retten im toten Winkel“ ins Leben gerufen haben.

Der öffentliche Aufschrei war da. Schon wieder ein tragischer Unfall, der einem das Herz bricht, schon wieder ein Unfall der vermieden hätte werden können.

geht-doch.wien mit Ulrich, Guntram und mir, die Radlobby – wir alle waren am Ort des Unfalls, und ergriffen von dieser Anteilnahme und von diesem Schicksal. Wir alle wollten etwas tun. Wir bereiteten eine erste emotionale Petition vor. „LKWs – raus aus der Stadt“ – dann kam der Anruf von Helge. Und das Einsehen, dass es eine klare, headline-starke Forderung geben müsste – die auch umsetzbar ist.

Und dann war sie da – die Petition „Leben retten im toten Winkel“ und online! Hast du schon unterschrieben?
Ich hatte nicht mit diesem Lauffeuer gerechnet, Nach 2 Tagen bereits 20.000 Unterschriften. So viele Menschen, die nicht einsehen wollen, dass in den nächsten Jahren nochmals an die 84 Menschen sterben müssen, bis eine EU-weite Richtlinie auch bei uns umgesetzt wird.
Es bedarf einer einfachen Verordnung des Verkehrsministers – darum richten wir unseren Appell auch direkt an ihn.  Herr Hofer, setzen sie folgende Forderungen um:

1. Verpflichtende Nachrüstung von elektronischen Abbiegeassistenten für alle Nutzfahrzeuge auf nationaler Ebene zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Ein Abbiegeassistent mit automatischer Bremsfunktion schützt Menschen zu Fuß und am Rad, die sich beim Abbiegen im toten Winkel des LKWs befinden.

2. Druck auf die EU-Kommission, damit die geplante Einbau-Verpflichtung vorgezogen (derzeit ab 2024 vorgesehen), sowie auf alte LKWs erweitert wird (Nachrüstung). Einsetzen für Standards, die niedrigere Fahrerkabinen mit besserer Rundum-Sicht vorschreiben.

3. Sofortige Nachrüstung des Fuhrparks der öffentlichen Hand durch elektronische Abbiegeassistenten.

4. Durchfahrtsbeschränkungen für ausländische LKWs ohne solche Abbiegeassistenten. Dies ist nach einem neuen Rechtsgutachten mit EU-Recht vereinbar [3].

Der tote Winkel ist nicht erst seit einer Woche ein Problem. Die Politik braucht mehr Mut zu unpopulären Entscheidungen und zu einer neuen, frischen Sichtweise auf den motorisierten Verkehr: nicht die Kinder, die Menschen sollen sich dem motorisierten Verkehr anpassen. Wir wollen Öffentlichen Raum, der kindergerecht sein soll, der menschengerecht sein soll.

Kinder sollen selbstständig – und ohne Furcht – aktive Verkehrsteilnehmer sein können. Kinder sind Radfahrerinnen und Fußgänger von morgen – wir werden sie als solche brauchen!

Und dafür ist diese Petition der erste Schritt. Wenn du noch nicht unterschrieben hast, dann mach das doch bitte jetzt.

[1] https://wien.orf.at/news/stories/2961843/
[2] https://udv.de/de/medien/mitteilungen/lkw-abbiegeassistent-gegen-radfahrerunfaelle
[3] https://www.stefan-gelbhaar.de/app/download/8969579576/Rechtsgutachten%20Einf%C3%BChrung%20von%20LKW-Abbiegesystemen.pdf?t=1548238155

Kurz-url zur Petition: bit.ly/abbiegeassistent

Ich wünsch mir eine kindgerechte Stadt – ohne Lastwägen.

Es ist bedrückend an der Kreuzung zu stehen, an der gestern zur selben Zeit ein Kind von einem abbiegenden LKW getötet worden ist.
Es ist fast noch bedrückender, zu wissen, dass es in Wien hunderte ähnliche Kreuzungen gibt, an denen soetwas jederzeit wieder passieren kann.

Und doch – bleibt neben der Trauer, Wut und Lähmung, dass eben niemand im Straßenraum davor gefeit ist ein Fragezeichen. Warum muss es diese tonnenschweren Laster in der Stadt geben? Warum kann ich meine Kinder nicht in Sicherheit wissen, wenn sie im Straßenraum eh alles richtig machen und bei grün über den Zebrastreifen gehen? Wie sieht eine kindgerechte Stadt, eine menschengerechte Stadt aus?

Haben dort große LKWs eigentlich etwas verloren?
Warum gibt es nicht die Möglichkeit, dass diese riesigen Lastwägen nur auf Hauptverkehrsstrecken fahren und Verladestationen ansteuern, wo dann auf kleine elektrische Zulieferautos oder Lastenfahrräder umsortiert wird? Weniger gesundheitsgefährdender Feinstaub, weniger CO2 Belastung, weniger Lärm, weniger Platzverbrauch in der Stadt – vor allem aber weniger Gefährdung. Das ist möglich – wir müssen nur bereit sein für neue innerstädtische Logistikkonzepte.(1)

Aber auch Tempo30 für LKWs und Reisebusse wäre eine notwendige Maßnahme.

        

In den letzten zwei Monaten verunglückten in Wien drei Menschen tödlich, zwei jeweils bei grün am Zebrastreifen durch rechts abbiegende LKWs. Gestern war es ein neunjähriges Kind. Die Betroffenheit und Anteilnahme ist groß.

Ich frage mich, wie ich meine zwei Kinder zu selbstständigen und aktiven Verkehrsteilnehmern “empowern” kann? Viele Eltern erzählen mir, sie würden aus Sicherheitsdenken heraus ihre Kinder lieber im Auto im Straßenverkehr herumkutschieren, als sie der gefühlten Gefahr auszusetzen. Was verständlich klingen mag, ist gesellschaftlich jedoch die absolut falsche Konsequenz. Wenn Lastwagen Kinder töten, sollen nicht Kinder von der Straße verschwinden, sondern die LKWs.(2)

Wenn Elterntaxis Kinder am Weg zur Schule gefährden, soll es eine autofreie Zone zumindest vor der Schule zumindest vor Unterrichtsbeginn geben, Wege zu Kindergärten sollen zumindest verkehrsberuhigt sein, mit verbreiterten Gehsteigen zum Kindergarten.

So sieht eine kindergerechte Stadt, eine smart City wie Wien sie sein will, nämlich aus.

(1) Siehe: http://www.taz.de/!5512393/

(2)  LKW und Busse waren in Österreich an 40% der tödlichen Fußgeher- und  Radfahrerunfälle zwischen 2012 bis 2017 beteiligt.

 

 

 

Petition für freie Sitzgelegenheiten ohne Konsumzwang

oder: Wien – die Stadt der Parkbänke – Sitzgelegenheiten ohne Konsumzwang. Tatsächlich?

Unterzeichne unsere Petition für freie Sitzplätze ohne Konsumzwang.

In Wien finden sich in drei von zehn Straßen Sitzgelegenheiten ohne Konsumzwang. Deutlich weniger, als in drei anderen untersuchten Städten (Rotterdam – mit 8 von 10Straßen, Kopenhagen – mit 5 von 10, München – mit 5 von 10 Straßen). Das unterstreicht eine aktuelle Studie der Universität für Bodenkultur in Wien. („Potentiale von Alltagsstraßen – Wiener Querschnitt im internationalen Kontext“ ila, 2017.)

Über die genaue Anzahl der Sitzgelegenheiten in Wien, wissen nur die zuständigen Stellen der MA42 Bescheid – und zwar ausschließlich für alle Parkanlagen. Wieviele Sitzgelegenheiten ohne Konsumzwang es tatsächlich in Wien gibt? – Darüber herrscht großes Schweigen.
Wieviele Bänke es rund um den Ring gibt? – das bestgehütetste Geheimnis Wiens.

Mit unserer Petition “für freie Sitzplätze ohne Konsumzwang” versuchen wir nicht bloß das Geheimnis zu lüften, sondern fordern wir alle 300 Meter eine Sitzgelegenheit auf den Straßen Wiens ein. 300 Meter entspricht der Gehdistanz in 10 Minuten von einer mobilitätseingeschränkten Person. (1)

Ältere Menschen, Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung betrifft es ebenso wie Schwangere und Menschen, die mit Kleinkindern unterwegs sind. Sie brauchen öfter eine Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum. Ein nettes Plätzchen, das zum Verweilen einlädt – gratis, wo nichts konsumiert werden muss. Wege, die sonst zu lange und anstrengend erscheinen, werden durch Sitzgelegenheiten wieder attraktiv und einladend gemacht. Das schafft Lebensqualität, und regt zum bewussten Zu Fuß Gehen an.

Dafür setzen sich geht-doch.wien und viele aktive Wienerinnen & Wiener ein, die unsere Petition bereits unterschrieben haben.

Hier kann online unterschrieben werden. (Handysignatur oder Bürgerkarte notwendig). Oder offline unterschrieben – mittels ausgedruckter Petition, an uns zurück geschickt.

(1) Durch die Sitzgelegenheit darf keine Engstelle auf dem Gehsteig entstehen, die Mindestgehsteigbreite von zwei Metern muss erhalten bleiben.

Der Tag der Wohnstraße #wohnstraßenleben5

Es war das lauteste und bunteste Wohnstraßenleben, das die Welt gesehen hatte. Ist ja auch ein leichtes, denn #wohnstraßenleben ist etwas Neues. Für Wien. Es ist das Aufzeigen, was alles auf einer Wohnstraße erlaubt ist. Um anzuregen, die eigene Wohnstraße vor der Haustüre auch auf ähnliche Art zu nutzen.
Nämlich: zu spielen, sich aufzuhalten, Kaffee mit Freunden zu trinken, ja auch den Klapptisch aufzustellen (und danach wieder wegzuräumen), um gemütlich dort zu sitzen – solange Fahrzeuge nicht daran gehindert werden, dort einen Parkplatz zu suchen, oder etwas zu liefern. Durch eine Wohnstraße fahren dürfen sie nicht. Auch das muss Autofahrer*innen oftmals bewusst gemacht werden – denn die „Navis wissen das ja nicht und schicken einen da ja durch!“

  

In Deutschland gibt es ein ähnliches Wohnstraßen-Schild, das aber breiter gefasst ist, und bei dem man durchfahren darf. Bei uns gilt – bei dem selben Verkehrszeichen (Wohnstraße) ein Durchfahrtsverbot. Es ist aber wiederum nicht zu vergleichen mit dem deutschen Schild der Spielstraße: das sieht ganz anders aus und Spielstraßen sind für Fahrzeuge aller Art gesperrt. Nicht leicht, sich in diesem Wirrwarr an unterschiedlichen Auslegungen auszukennen.
Immerhin gibt es diesen „Klassiker der verkehrsberuhigenden Maßnahmen“, wie der ÖAMTC die Wohnstraße tituliert – seit den frühen 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts. Und ganze 179 Wohnstraßen in ganz Wien! Greenpeace würde sagen: 56 Fußballfelder – an Raum für uns alle. Wir sehen uns auf der Wohnstraße!

 

„Heast – wos mochts es do?“

“Heast – wos mochts es do auf da Stroßn?”
“Ein Wohnstraßenleben –Wir spielen da, wir quatschen da, wir trinken Kaffee da und genießen diesen öffentlichen Raum. Das heißt, wir tun das, was man auf einer Wohnstraße legal machen darf.  ”
“Aso – des derf ma? Jo, dann is eh supa.”

 

So und so ähnliche Kommentare hören wir, wenn wir die Wohnstraße einmal im Monat – und nun bald zum vierten Male (4!) in eine richtige Wohnstraße mit #wohnstraßenleben verwandeln.
Wir machen das, um den Anrainern, den Nachbarinnen, den Kindern und Eltern und überhaupt allen, die in der Wohnstraße vorbei kommen, zu zeigen, was alles möglich ist. Ganz legal. Denn in einer Wohnstraße darf mensch auf der Straße spielen, sich aufhalten, solange man nicht die Autos aufhält. Was meist gar nicht gewusst wird. Die Autos dürfen in Schrittgeschwindigkeit fahren und einen Parkplatz suchen. Durchfahren dürfen sie in einer Wohnstraße nicht. Was meist gar nicht gewusst wird.

Darum veranstaltet space and place unter Unterstützung von geht-doch.wien und raumstation diese monatlichen Wohnstraßenhappenings. Am kommenden Freitag (nur mehr 2x schlafen!) verwandeln wir etwa die Wohnstraße in Ferienparadiese. Pünktlich zum Ferienbeginn laden wir zum Inselhüpfen, zum Plantschen oder Surfen zwischen Autoheckwellen, vom Berg abseilen oder orientalischen Kaffee am Bazarhocker genießen. Selbst eine Reise ins Weltall ist möglich. Es ist eine sehr spannende und entspannende Zeit, die man vor der eigenen Haustüre mitten in der Stadt verbringen kann.

  

Wer es noch nicht kennt, sollte vorbeischauen und sich das anschauen!

Kommt am Freitag, 29.6. zwischen 11-14Uhr in die Alberichgasse Ecke Markgraf-Rüdiger Straße und seht selbst.

 

Dort wohnen, wo andere parken!

Gemeinsam mit Raumstation und spaceandplace stellen wir uns die Fragen: Darf man den Begriff der Wohnstraße eigentlich wörtlich nehmen? Inwieweit dient die Wohnstraße als gleichberechtigter Treffpunkt und Begegnungsort für alle? Eignet sich die Wohnstraße etwa tatsächlich, um Ball zu spielen oder mit dem Fahrrad nebeneinander zu fahren? Lassen sich die Wünsche und Bedürfnisse der unterschiedlichen Nutzer wie Spielende, Plaudernde, Radelnde oder Autofahrende überhaupt auf einen Nenner bringen?

Das probierten wir letztens aus – auf einer Wohnstraße im 2.Bezirk.

Und ja, es war eine Erfahrung und ein toller, spannender, neuer Ort – zum Karten-, oder Trampolino spielen, zum Straßen malen, Fahrradfahren und Tempelhüpfen.

Der ruhigste und gemütlichste Ort ist es allerdings nicht gewesen. Im Durchschnitt kam jede Minute ein Auto an uns vorbei, um einen Parkplatz zu suchen und dem wir Platz machten. Freilich fuhren die Autofahrenden vorsichtig an uns vorbei, doch wer kann schon im Auto in Schrittgeschwindigkeit mit 5km/h fahren, wie es das Gesetz vorsieht?

Das Spielen ist uns jedenfalls nicht vergangen – und morgen Freitag, 27.4.2018 wird wieder gespielt:

Zinckgasse / Goldschlagstraße im 15.Bezirk von 13-15 Uhr.
Komm vorbei und spiel mit!

Sicherheit kann ungesund sein Teil 2/2

Wir sind in Gefahr. Tagtäglich. Im Straßenverkehr, zu Haus, überall. Wirklich? Weit gefehlt. Die größte Gefahr für unser Leben geht von uns selbst aus. Unser Lebensstil bestimmt wie gut und wie lange wir leben. Ein wichtiger Aspekt davon ist, wie wir uns im Alltag bewegen. Die Gestaltung des öffentlichen Raumes und des Grätzls arbeitet zumeist gegen unseren Bewegungsdrang – Beobachtungen aus dem Alltag im Nordbahnhofviertel von Beatrice Stude. Teil 2.

Teil 1 lesen

Autoparken und Radparken

Autos sind Fahrzeuge. Sie parken auf der Straße oder in der Auto-Tiefgarage. Letztere haben immer eine direkte Zufahrt auf die Fahrbahn der Straße, das ist gesetzlich vorgeschrieben. Fahrräder sind auch Fahrzeuge. Sie parken im öffentlichen (Straßen-)Raum oder im Fahrradraum von Gebäuden. Im Nordbahnviertel gibt es einen Mangel an Abstellanlagen zum Radparken im öffentlichen Raum, wie die Karte der Radlobby, die Interessensvertretung für eine Verbesserung der Rahmenbedinungen im Alltagsradverkehr, zeigt. Fahrradräume sind zumeist nur indirekt über den Haupt- oder Nebeneingang der Gebäude zugänglich. Oftmals müssen mehrere Türen durchschoben werden. Häufig findet sich auch kein direkter Zugang zur Fahrbahn. Das verleitet die Menschen mit Fahrrad dazu, am Gehsteig bis zur nächsten Kreuzung zu fahren – nicht immer zur Freude der Menschen, die zu Fuß am Gehsteig unterwegs sind. Zudem sind die Fahrradräume in den Gebäuden meist überfüllt und des Öfteren werden Fahrräder gestohlen. Hier fehlt also die Sicherheit. Wer nicht jeden Morgen sein Fahrrad aus dem zu engen Fahrradraum herausfädeln will, weicht aus: auf Müllräume oder in die Auto-Tiefgarage – bis eine Räumungsaktion der Hausverwaltung kommt und die Fahrräder wieder weggeräumt werden müssen. Danach stellt sich die vermeintlich gelöste Frage erneut: Wohin mit dem Fahrrad?

Welche Sicherheit wollen wir zu Haus?

Wer nicht in den Müllraum oder die Auto-Tiefgarage ausgewichen ist, hat sich vielleicht einer Nische in seinem Flur zum Radparken bedient. Früher oder später ermahnt aber auch hier die Hausverwaltung zur Ordnung. Es läuft immer gleich ab: Ankündigung. Wegräumen. Begehung. Neben Fahrrädern sind das zumeist Kinderwagen, Schuhe und vieles mehr – unsere Mittel zum Transport. Und dann? Diese Regeln – uns auferlegt für den Brandschutz – dienen unserer Sicherheit, aber sie machen auch aus unseren Fluren kahle, wenig einladende und monofunktionale OrteLeeren Raum, den wir nach der Begehung langsam wieder nutzen – bewusst und unbewusst – aus Mangel an Platz oder aus Bequemlichkeit im Alltag. Denn wohin mit dem Fahrrad? Die eigene Wohnung dauerhaft zur Radgarage machen? Die Bike City – ein Wohnbau im Nordbahnviertel, der 2008 errichtet auf die Bedürfnisse für Menschen die Fahrrad fahren abgestimmt ist – zeigt, das Radparken im Flur funktioniert. Allerdings ist sie ein genehmigter Ausnahmefall, statt zum Nachahmen empfohlen.

In Wien, der 1,85 Millionen-Einwohner-Stadt, sterben jährlich 15 bis 20 Menschen bei Bränden. Trotz der geringen Zahl, wer kann schon dagegen argumentieren, wenn es um den Schutz von Menschenleben geht? Schwergängige Türen zum drückbelüfteten Stiegenhaus, die mit den Einkaufstaschen in der Hand und dem Fahrrad oder Kinderwagen in der anderen kaum zu öffnen sind. Kinderwägen im Erdgeschoss im Kinderwagenraum abzustellen, um dann Kind und Zubehör am Arm balancierend durch die schwergängigen Türen ins Stiegenhaus zu gelangen. Kinder selbst haben es schwer, ohne fremde Hilfe, das Haus zu verlasssen. Dies alles dient unserer Sicherheit.

In den Altbauten in Wien ist zumeist nur eine Tür, die Hauseingangstür zu durchqueren. Hier ist oft auch der Zugang zum Hof und damit zu Radabstellmöglichkeiten meist unverschlossen, also für Gäste zugänglich. Die Gäste, die mit Fahrrad ins Nordbahnviertel kommen, finden kaum Möglichkeiten im öffentlichen Raum. Im Gebäude ist der Fahrradraum verschlossen. Mein Besuch steht daher oft mit Fahrrad vor meiner Wohnungstür. Jedes Menschenleben ist bestmöglich zu schützen. Absolute Sicherheit gibt es nicht, hier wäre eine gesellschaftliche Diskussion, wieviel und welche Sicherheit es braucht, und wie alltagstauglich unsere Lebensräume zu gestalten sind, notwendig. Denn die bestehenden Gesetze und Normen, als auch Vorgaben der Versicherungen zwingen die PlanerInnen, die Bauherren, die Behörden, die Brandschutzbeauftragten und schließlich die Hausverwaltungen dazu – aus Haftungsgründen zu handeln.

Angebot und Verweilfreundlichkeit

Zu Fuß ist es da vielleicht doch schneller. Kein Fahrzeug, das geholt werden muss. Doch es stellt sich schnell die Frage: Wohin zu Fuß? Das Nahversorgungsangebot im Nordbahnhofviertel ist sehr reduziert. Die Alltagserledigungen, Freunde-Treffen abends in Lokalen und vieles mehr muss oft außerhalb des Viertels stattfinden. Das reduziert die Zeit, die die Menschen im eigenen Grätzl verbringen. Zeit, die fehlt, die Nachbarschaft besser kennenzulernen. Beziehungen und damit Gemeinschaften aufzubauen und zu erhalten. Die Wege aus dem Grätzl sind zu weit fürs Zufußgehen. Bleiben die Wege zu den Haltestellen des öffentlichen Verkehrs, die zu Fuß zurückgelegt werden. Die U-Bahn-Stationen der U1 sind aus dem nördlichen Nordbahnviertel weit, die Buslinien dorthin eng getaktet, doch der Weg zu Fuß ist meist schneller. Rein rechnerisch. Gefühlt eher länger. Eine Straße sollte einem Mensch, der zu Fuß unterwegs ist, alle fünf Sekunden interessante Abwechslung bieten, so empfiehlt es der dänische Stadtplaner Jan Gehl. Monotonie lässt uns schneller gehen, ihr wollen wir entfliehen. Gefühlt verstreicht mehr Zeit ohne Abwechslung. Die Sockelzonen und Erdgeschosse im Nordbahnviertel bieten wenig Abwechslung. Der helle Pflasterbelag, der attraktiver als dunkler Asphalt unter den Füßen sein dürfte, kann fehlende Belebung nicht ersetzen.

Viele Menschen legen den Weg zur U-Bahn-Station mit ihrem Fahrrad zurück. Ihr Weg führt nicht selten durch den Rudolf-Bednar-Park, da hier auch die Ampeln in der Vorgartenstraße umgangen werden können. Schilder verbieten das Radfahren im Park. Es zu erlauben würde weit mehr dem gelebten Alltag im Park entsprechen – natürlich unter Rücksichtnahme auf alle Menschen die sich dort aufhalten.

Angekommen an der U1-Station Aufgang Radingerstraße, sind die Abstellanlagen zum Radparken meist überfüllt. Zudem untersagen die Wiener Linien das Parken mit Fahrrädern an den Geländern ihrer U-Bahn-Aufgänge. Zugunsten all jener Menschen, die diese Geländer zur Orientierung brauchen. Das ist zu befürworten, wenn diese ohne Fahrräder dann nicht immer noch gegen Zeitungsständer oder gar gegen Verkehrsschilder laufen würden. Vor kurzem wurden hier zusätzliche Abstellanlagen zum Radparken seitens des Bezirkes geschaffen. Damit hat sich die Situation hier entspannt, während am Aufgang der Vorgartenstraße jedoch gar keine Abstellanlagen zum Radparken direkt beim Aufgang vorhanden sind. Menschen zu Fuß, die zumeist dann den öffentlichen Verkehr nutzen, teilen sich den sehr begrenzten Raum, während daneben von den Fahrbahnen viel Platz eingenommen wird.

Wer einmal auf dem Fahrrad sitzt, ist dann doch verleitet einfach weiter zu radeln. Denn bis vor die Haustür fahren, das schafft nur das Fahrrad in der Stadt. Das ist komfortabel und spart Zeit. Und so ganz nebenbei tut es dem Herzen und dem Kreislauf gut.

Resümee

  1. Autopräsenz reduzieren und den öffentlichen Raum stattdessen attraktiv und durchwegbar gestalten – fuß- und fahrradgerecht.

  2. StVO-Festlegungen nutzen, wie Wohn- und Fahrradstraße, als auch Begegnungszone, und danach ausgestalten.

  3. Öffentlichem Verkehr nachhaltig für alle planen und umsetzen.

  4. Umlernzeitfenster für nachhaltige Mobilität in der Stadtentwicklung nutzen und frühzeitig kurze Wege und gute Anbindung an die Öffis schaffen, sowie diese auch während der weiteren Entwicklung aufrechterhalten.

  5. Radparken Autoparken gleichstellen und Quantitäten als auch Qualitäten, wie sichere Absperrmöglichkeiten und barrierefreie direkte Zugänglichkeit gesetzlich vorschreiben.

  6. Alltagstauglichkeit und Sicherheitsbedürfnisse in gesellschaftlichem Diskurs ausbalancieren, sodass unsere Lebensräume nicht zunehmend von Haftungsgründen definiert werden.

  7. Angebote im Grätzl schaffen, sodass Menschen mehr Zeit im Grätzl verbringen und mehr zu Fuß gehen und mit dem Fahrrad fahren.

  8. Verbote und Gebote prüfen und an Alltagsrealität anpassen, wie beispielsweise das Radfahrverbot im Park, um Rücksichtnahme statt Beharren auf dem Einhalten von Regeln zu fördern.

  9. Schnittstellen, wo Verkehrsmittel gewechselt werden besonders auf die Nutzerbedürfnisse ausgestalten, wie beispielsweise das nahe Umfeld einer U-Bahn-Station.

So manche Sicherheitsmaßnahmen, die isoliert betrachtet ihre Berechtigung haben, halten uns in Summe mit anderen davon ab, uns im Alltag zu bewegen. Aktive Mobilität, Zufußgehen und mit dem Fahrrad fahren, werden erschwert. Dabei sind sie wichtiger Bestandteil eines gesunden Lebensstils, der unsere Lebenqualität erhöht und unser Leben verlängert.

zur Autorin

Beatrice Stude ist Stadtplanerin und lebt seit über 5 Jahren im Nordbahnviertel. Sie engagiert sich in der Interessensgemeinschaft Lebenswerter Nordbahnhof für ihr Grätzl. Als leidenschaftliche Radfahrerin war sie einige Jahre im Vorstand der Radlobby Wien, als auch der Radlobby Österreich engagiert. Infolge ihrer verschiedenen Aktivitäten, als auch der langjährigen Tätigkeit für einen großen Bauträger vor ihrer Selbständigkeit, und ihrer aktuellen Unterstützung beim F&E Projekt Mischung: Nordbahnhof bringt sie vielschichtige Aspekte, die auf den öffentlichen Raum und seine Belebung einwirken, mit ein.


Fotos: Beatrice Stude

Dieser Artikel ist auch auf https://nordbahnhof.wordpress.com erschienen.

 

Sicherheit kann ungesund sein! Teil 1/2

Wir sind in Gefahr. Tagtäglich. Im Straßenverkehr, zu Haus, überall. Wirklich? Weit gefehlt. Die größte Gefahr für unser Leben geht von uns selbst aus. Unser Lebensstil bestimmt wie gut und wie lange wir leben. Ein wichtiger Aspekt davon ist, wie wir uns im Alltag bewegen. Die Gestaltung des öffentlichen Raumes und des Grätzls arbeitet zumeist gegen unseren Bewegungsdrang – Beobachtungen aus dem Alltag im Nordbahnhofviertel von Beatrice Stude. Teil 1.

 
Nach Stockholm ist Wiens Straßenverkehr der zweitsicherste Europas, noch vor Kopenhagen und Amsterdam. 19 Personen starben 2016 im Straßenverkehr in Wien. Die Gefahr, sich selbst umzubringen liegt 10-mal höher. Ermordet wurden im selben Jahr 12 Menschen. Jeder Todesfall ist tragisch, jedoch sind diese Todesfälle gerechnet auf die 1,85 Millionen Menschen, die in der Hauptstadt leben, gering. Woran sterben die Menschen in Wien? Zu über 95 Prozent sind Krankheiten die Todesursache. An erster Stelle, mit über 40 Prozent, stehen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gefolgt von Krebserkrankungen. Die Gefahr in Wien an einer Krankheit zu sterben liegt damit 800 Mal höher als der Tod im Straßenverkehr. Für Menschen unter 65 Jahre liegt sie immerhin noch rund 130 Mal höher. Die bislang stetig ansteigende Lebenswartung ist 2015 in Österreich und im Durchschnitt der den EU-28-Staaten laut Eurostat erstmals leicht rückläufig. Heutzutage ist das Überleben häufig keine Frage der Medizin mehr, sondern des Lebensstils: Bewegung ist da ein wichtiger Faktor. Doch wie bewegen sich die Menschen in Wien? Welche Verkehrsmittel wählen sie? 27 Prozent ihrer Wege legten die Menschen 2016 mit dem Auto zurück, besagt der Modal Split, die Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsmittel in der Verkehrsstatistik. Gleich viele Menschen waren zu Fuß unterwegs. Der größte Anteil, 39 Prozent, nutzte öffentliche Verkehrsmittel, die Wenigsten fuhren Fahrrad. Nur ein gutes Viertel der Wiener Bevölkerung fährt also Auto und dennoch dominiert das Auto unseren öffentlichen Raum: asphaltierte Fahrbahnen gesäumt von parkenden Autos. Verkehr wird von vielen Menschen mit Autoverkehr gleichgesetzt. Kaum verwunderlich. Das Auto hat eine hohe Präsenz in unseren Köpfen. Diese Präsenz wird durch den autogerecht gestalteten öffentlichen Raum aufrechterhalten und immer wieder erneuert.
 

Barrierefreiheit und Flüssigkeit der Verkehre

Im Nordbahnviertel zerschneidet das Raster des öffentlichen (Straßen-)Raumes mit tieferliegender Fahrbahn die stufenfreien und kurzen Wege der vielen durchwegbaren „Innenhöfe“. Fahrbahnen für Autos die oft gesäumt sind von Parkbuchten für Autos, etwas aufgelockert durch Baumscheiben. Gemeinsam bilden sie eine Barriere und verwehren den direkten Zutritt vom Gehsteig auf die Fahrbahn. Sie zwingen Umwege zu gehen. Selbst die fußläufige Verbindung zur Bushaltestelle bei der Pensionsversicherungs-anstalt (PVA), die nördlich entlang des Pflegewohnhauses verläuft, mündet direkt auf eine Baumscheibe. Wer eine Lücke findet, steigt eine hohe Stufe hinab auf die Fahrbahn, um diese zu überqueren. Hohe Bordsteinkanten dienen dem Schutz der Menschen zu Fuß, doch dienen sie vor allem der Flüssigkeit des Autoverkehrs. Es ist eine Einladung zum schnelleren Fahren. Selbst die Fußgängerzone in der Ernst-Melchior-Gasse ist dieser „allgemeinen Ordnung des Straßenraumes im Nordbahnviertel“ unterworfen: Gehsteig mit begleitender Grünfläche mit hoher Bordsteinkante, Fahrbahn und wieder Gehsteig mit hoher Bordsteinkante. Abgesenkte Zugänge zur Fahrbahn gibt es zumeist nur an den Kreuzungen, im Abstand von nicht selten über 100 Metern. Dies bedeutet weitere Umwege für all jene, die stufenlos unterwegs sein wollen oder müssen: wie Menschen mit Kinderwagen, Einkaufstrolley, Rollstuhl oder Fahrrad. Die abgesenkten Bordsteine der Zufahrten zu Auto-Tiefgaragen oder zu Müllräumen verbessern diese Taktung ein wenig. Dabei kennt die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) durchaus Festlegungen, die der Flüssigkeit der anderen Straßenverkehre dienen, derer ohne Autos: Wohnstraßen und Begegnungszonen, Paragraf 76b und 76c, dienen insbesondere der Flüssigkeit des Fußgängerverkehrs. In erster ist Schrittgeschwindigkeit, in zweiter Tempo 20 vorgeschrieben. Radfahren ist in beiden erlaubt, als auch das Zu- und Abfahren mit Autos. Darüber hinaus gibt es die Fahrradstraße in der StVO, Paragraf 67, die der Flüssigkeit des Fahrradverkehrs dient und Tempo 30 vorschreibt. Auch hier ist das Zu- und Abfahren mit Autos erlaubt. Fahrräder haben aber stets Vorrang.
Im neu gebauten Nordbahnviertel sind keine Wohnstraßen, Begegnungszonen oder Fahrradstraßen zu finden, einzig Fußgängerzonen. Dabei sind große Teile des Viertels Tempo-30-Zonen, auch die Vorgartenstraße. In Begegnungszonen und Wohnstraßen dürfen Menschen zu Fuß die gesamte Fahrbahn benützen beziehungsweise auf ihr Spielen, abseits dieser besonders Festlegungen für den Straßenraum dürfen Menschen, die zu Fuß unterwegs sind Fahrbahnen nur zum Queren Betreten.

Die Verkehrsführung sieht an sich vor, dass Durchgangsverkehr für Autos unterbunden und damit der Autoverkehr im Grätzl reduziert wird. Trotzdem gibt es zwei Ampeln, beide in der Vorgartenstraße. Allerdings warten die Menschen mit oder ohne Fahrzeug an der Ecke Haussteinstraße oftmals ganz einsam auf ihr Grün.

Diese Ampel war für die dort geplante Buslinie vorgesehen. Diese verläuft heute anders. Es heißt, dass Einige die Bushaltestelle vor ihrem Haus nicht wollten, während Andere sie gern direkt vor der Haustür behalten wollten. Es wäre eine Option diese Ampel auszuschalten, bis der Bedarf für eine ampelgeregelte Kreuzung gegeben ist. Denn jene Kreuzung könnte mit Vorfahrtsregel und allseits umlaufenden Fußgängerüberwegen von allen schneller passiert werden. Die zweite Ampel Ecke Walcherstraße hat zumeist ein Verkehrsaufkommen, dass die Ampelregelung rechtfertigt, hier führen auch zwei Buslinien über die Kreuzung.

Eine Insel mitten in der Stadt

Das Nordbahnviertel ist im Südosten durch die hohe Barrierewirkung der Lassallestraße und im Westen durch die Bahntrasse der Schnellbahn von den angrenzenden Vierteln abgeschottet und erhält dadurch einen Inselcharakter.

Seit über sechs Jahren ist über die Länge von eineinhalb Kilometern kein offizielles Durchkommen unter dieser Bahntrasse zu den Nahversorgungsangeboten und Lokalen im Allierten- und Afrikanerviertel als auch weiter zum Donaukanal. Die Wegstrecken sind doppelt bis vierfach so lang wie die Luftlinie. Auf der anderen Seite zur Donau hat sich etwas getan. Seit Mai 2015 hat das Nordbahnviertel mit dem Judith-Deutsch-Steg eine Direktanbindung für Menschen zu Fuß und mit Fahrrad an das rechte Donauufer als Naherholungsgebiet.

Menschen sind Gewohnheitstiere. Natürlich schließt dies mit ein, wie wir uns tagtäglich bewegen. Doch verändert sich unsere Lebenssituation, wenn wir in eine neue Wohnung ziehen oder in einer neuen Arbeitstätte beginnen. Dies sind Zeitfenster, in denen wir leichter Umlernen könnten: zu Fuß gehen, mit dem Fahrrad fahren oder in die Öffis statt ins Auto zu steigen. Monate und Jahre später tun wir uns wieder schwerer. Zeitfenster für das Umlernen von nachhaltigem Mobilitätsverhalten werden von der Stadtentwicklung noch zu wenig unterstützt: Kurze Wege frühzeitig errichten und während der weiteren Bebauung freihalten, als auch öffentlichen Verkehr wie Straßenbahn- und Buslinien frühzeitig in Betrieb nehmen.

Die Entwicklung und Bebauung des Geländes des ehemaligen Nordbahnhofes wurde ausgehend von der Lassallestraße und dem Praterstern – von Süden her entwickelt. So ist es wenig verwunderlich, dass es bislang im Norden noch keine offizielle Anbindung an die Innstraße gibt. Die Innstraße ist auch die Bezirksgrenze, der Wechsel der Zuständigkeiten.

Dieser könnte mitverantwortlich dafür sein, dass die geplante Straßenbahnlinie O nicht in den nördlich angrenzenden 20. Bezirk weitergeführt werden soll. Denn eine Straßenbahnführung braucht Raum. Straßenraum, der jetzt Fahrbahnen und Parkplätze für Autos bietet. Dabei dürfte mehr Präsenz von Straßenbahnen im öffentlichen Raum die Autopräsenz in unseren Köpfen etwas reduzieren. Die Straßenbahnlinie O führt 2020 vom Praterstern zum Bildungscampus – dem dann größten Schulkomplex der Stadt – und über eine Schleife wieder retour. Der bereits errichtete Bildungscampus Gertrude-Fröhlich-Sandner ist derzeit ebenfalls nur über eine Schleife der Buslinie 82A an den Praterstern angebunden. Der Inselcharakter wird so mit den öffentlichen Verkehrsmitteln weiter zementiert, statt ihn aufzulösen. Und damit bleibt auch den Menschen des Nordbahnviertels die Straßenbahnanbindung in den Norden und an die U6 verwehrt, die Buslinien 11A und 11B, die das derzeit leisten, sind trotz enger Taktung bereits jetzt oft überfüllt. Und das alles, obwohl 2015 bereits eine Anbindung der Straßenbahnlinie bis zum Friedrich-Engels-Platz präsentiert wurde. Das wäre nachhaltig, da mit dieser Führung Umsteigemöglichkeiten zur U6, zur  Schnellbahn und zu den Straßenbahnlinien 2, 31 und 33 gegeben wären. Die Schulkinder hätten mehr Auswahl für den Weg zur Schule, die Menschen im Nordbahnviertel wären dadurch sehr gut angebunden und das Öffi-Netz wäre für alle verdichtet.

zum 2. Teil geht es hier

Dieser Artikel ist auch auf https://nordbahnhof.wordpress.com erschienen.

Fotos: Beatrice Stude

Fotoaktion für Petition „Schulstraßen“ in der Kleinen Sperlgasse

Gemeinsame Fotoaktion heute mit der Direktorin der Kleinen Sperlgasse, den Elternvertretern, sowie einem Mitarbeiter der Bezirksvertretung und geht-doch.wien.

Wir sind uns alle einig:
Die kleine Sperlgasse soll eine Schulstraße werden – damit die Kinder die Möglichkeit haben sicher, selbstständig und selbstbewusst ihren Weg zur Schule alleine zurückzulegen.
Wir sind gespannt, ob sich damit Wien – nach Salzburg,Bregenz und Graz – dem allgemeinen Ruf nach Verkehrsberuhigung vor Schulen anschließt.

Bitte unterzeichnet dafür auch unsere Online-Petition für Schulstraßen in Wien (mittels Handysignatur unterschreiben), je mehr Menschen unterzeichnen, desto mehr Durchsetzungskraft haben wir.

Wollt ihr ebenfalls eine Schulstraße bei eurer Schule durchsetzen, meldet euch bitte bei uns – wir unterstützen euch gerne!